Ausgabe 01 2024

Lesezeit 6 Minuten

Kinderpsyche: Was belastet unsere Jüngsten und wie können wir ihnen helfen?

Heranwachsen ist nicht leicht – daran können sich auch die Erwachsenen noch gut erinnern. Und doch hat jede Generation mit ihren ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Die Entwicklungen der letzten Jahre – darunter die Corona-Pandemie – stellen für Kinder und Jugendliche von heute ganz neue Belastungen dar. Umso wichtiger ist die Botschaft: Du musst da nicht allein durch!
 

Dieselben Probleme, nur anders

Liebeskummer, Leistungsdruck in der Schule und Ärger mit den Freunden oder Eltern sind wohl zeitlose Themen von Heranwachsenden – auch wenn diese etwa durch Social Media heute andere Ausmaße annehmen können. War das Mobbing der Klassenkameradin früher nach Schulschluss erst mal beendet, geht es heute auf WhatsApp und Instagram weiter. Aber besonders eine bisher nicht dagewesene Situation hat die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beeinflusst: die Corona-Pandemie. Die Effekte sind heute noch zu spüren. Auch wirtschaftliche Krisen, Kriege und der Klimawandel tragen zu psychischen Belastungen bei. Eine neue Studie (1 ) zeigt: Zukunftsängste unter Jugendlichen nehmen weltweit zu. Eine positive Erkenntnis der Studie: Junge Menschen setzen sich mit ihren Zukunftsängsten auseinander und versuchen, ihre Probleme aktiv zu lösen.


Wünschen sich Kinder und Jugendliche professionelle Unterstützung dabei, stoßen sie allerdings auf ein Problem: Es mangelt an Therapieplätzen. Viele warten teils mehrere Monate auf ein Erstgespräch. Dabei ist eine frühzeitige, professionelle Unterstützung enorm wichtig, um chronische Verläufe zu verhindern. Über 50 Prozent der psychischen Erkrankungen entstehen noch vor dem 19. Lebensjahr (2).

Über 50 Prozent der psychischen Erkrankungen entstehen vor dem 19. Lebensjahr.
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Es ist okay, nicht okay zu sein!

Hinzu kommt, dass Betroffene sich oft erst spät Hilfe suchen. Denn psychische Probleme sind noch immer mit viel Scham behaftet – auch unter Kindern und Jugendlichen. Eltern sollten daher einfühlsam und unvoreingenommen das Gespräch suchen und Hilfe anbieten, wenn Ihnen etwas auffällt, das über das normale (prä-)pubertäre Verhalten hinausgeht. »Sätze wie ›Ich mache mir Sorgen um dich‹, oder ›Ich hab‘ dich lieb, deshalb frage ich mich, ob dich etwas belastet‹ können da sehr hilfreich sein«, erklärt Dr. Christian Aljoscha Lukas im Interview. Der Psychologe ist Gründer und Geschäftsführer der mentalis GmbH, die mit digitalen Angeboten passgenaue Lösungen für Versorgungslücken zur psychischen Gesundheit schaffen möchten. Die neue Anwendung mentalis CareNow richtet sich dabei gezielt an Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren. Das Besondere: mentalis CareNow kann ohne bürokratischen Aufwand, ohne ärztliche Überweisung und ohne Wartezeit kostenlos genutzt werden. Das Programm bietet jungen Menschen eine App mit verhaltenstherapeutischen Informationen und Übungen sowie regelmäßige Telefongespräche mit Psycholog*innen von mentalis.

Digitale Soforthilfe – so funktioniert mentalis CareNow
  1. Online Formular ausfüllen: mentalis-carenow.com
  2. In einem Telefongespräch erklären die Psycholog*innen von mentalis CareNow das Programm.
  3. Die Kosten übernehmen wir. Ein Antrag oder eine ärztliche Überweisung sind nicht notwendig.-
Interview mit Dr. Christian Aljoscha Lukas, Gründer und Geschäftsführer der mentalis GmbH

Das Gesundheitssystem ist noch stark auf Erwachsene ausgerichtet.

Dr. Lukas, was belastet Kinder und Jugendliche heutzutage?
Das Jugendlichenalter ist schon immer eine Übergangszeit – in vielerlei Hinsicht. Der Körper, die Gefühlswelt und auch das soziale Umfeld, alles verändert sich und ist dadurch von tiefgreifenden Veränderungen geprägt. In den letzten Jahren sind jedoch viele externe Faktoren wie die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine sowie der Klimawandel hinzugekommen, was Jugendliche zusätzlich beunruhigt und belastet.

Welche Themen begegnen Ihnen bzw. Ihren Psycholog*innen am häufigsten?

Die Themen der Kinder und Jugendlichen sind querbeet und reichen von Problemen in der Schule, Schwierigkeiten, Freundschaften zu finden oder aufrecht zu erhalten, Konflikten in der Familie bis hin zu erstem Liebeskummer und der Entwicklung der eigenen Sexualität. Blickt man unabhängig dieser Themen auf die Symptome, begegnen uns häufig Angstzustände, Niedergeschlagenheit und Interesselosigkeit, Substanzmissbrauch, verändertes Essverhalten, Aufmerksamkeitsdefizite oder auch selbstverletzendes Verhalten.

»Symptome sind häufig Angstzustände, Niedergeschlagenheit, Interessenlosigkeit, Substanzmissbrauch, verändertes Essverhalten, Aufmerksamkeitsdefizite oder auch selbst verletzendes Verhalten.«
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Warum sind niederschwellige Hilfsangebote wie mentalis CareNow wichtig?

Psychische Belastungen beziehungsweise Erkrankungen sind weiterhin stark stigmatisiert. Zudem haben Kinder und Jugendliche in den meisten Fällen noch wenig Bezug zu unserem Gesundheitssystem, da dieses bislang noch sehr stark auf Erwachsene ausgerichtet ist. Daher war es uns wichtig, ein Angebot zu schaffen, welches barrierefrei und ohne vorherigen Kontakt mit dem Gesundheitssystem genutzt werden kann. Da CareNow ein digitales Angebot ist, bewegen wir uns ohnehin in einer Sphäre, welche von Kindern und Jugendlichen stark genutzt wird.
 

Wie können Eltern ihre Kinder unter stützen bzw. wie erkennen sie, dass ihr Kind Hilfe braucht?

Wie gesagt: Es ist erstmal ganz normal, wenn sich Kinder und Jugendliche anders als sonst verhalten, zum Beispiel lange schlafen, sich in ihr Zimmer zurückziehen oder bei einem Streit impulsiv reagieren. Genauer hinschauen sollte man aber, wenn ein solches Verhalten zur Regel wird. Wenn Eltern so etwas bemerken, hilft es oft, den Nachwuchs über die eigenen Beobachtungen zu informieren. Sätze wie »Ich mache mir Sorgen um dich«, oder »Ich hab‘ dich lieb, deshalb frage ich mich, ob dich etwas belastet« können da sehr hilfreich sein. Wenn sich daraus ein Gespräch entwickeln kann, ist es möglich, gemeinsam zu beurteilen, ob eine professionelle Unterstützung sinnvoll ist.
 

1:PiD Psychotherapie im Dialog 2023, 24 (2); S. 18–22
2: BundesPsychotherapeutenKammer (BPtK). (2020) BPtK-Faktenblatt: »Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen«

 

©Adobestock Diego Cervo